Dienstag, 15. November 2016

Daheim ...?!

Oktober 2016 -  wieder zu Hause

Wieder zu Hause und doch so fremd… genau so fühlte es sich an.

Die ersten Tage wieder daheim waren schwierig. Wir kamen uns vor wie ein Fremdkörper in einer vertrauten Welt. Man kannte ja alles, das Zimmer, die Möbel, das Haus, die Umgebung,… aber irgendwie war es, als gehörte das nicht zu einem selbst sondern zu einem guten Freund.
Es war als würde das ganze vergangene Jahr nicht hierher passen. Als seien alle Erlebnisse und Erinnerungen zu viel für den Raum, den die Umgebung hier bot. Als würde man versuchen alle Erinnerungen in ein Vakuum zu pressen.

Immer wieder kommt bei uns beiden der Gedanke auf, einfach die Tasche neu zu packen und weiterzuziehen. Vielleicht sind wir noch zu sehr im Reiserhythmus. Und wir fragen uns öfters, was wir hier eigentlich machen, warum wir hier sind… Aber das sind emotional geleitete Fragen, das ist uns schon klar. Und wir sind beide rational genug um zu sehen, dass die Ankunft eben einfach Zeit braucht.

Wir packten ein letztes Mal unsere Taschen aus, gleich am ersten Abend, bevor wir es gar nicht schaffen. Beide redeten wir kaum, schwelgten jeder für sich in Erinnerungen und konnten die eine oder andere Träne nicht zurückhalten.

All unsere Erinnerungsstücke aus jedem Land wurden ausgebreitet und wir standen fast ein wenig erstaunt davor… Haben wir das wirklich alles gesehen und erlebt – unglaublich!

Karin: Ich habe es die ersten Tage nicht geschafft den Raum mit unseren Umzug Kartons zu betreten oder den Regionalteil der Zeitung zu lesen.
Beim Öffnen des Kleiderschranks fühlte ich mich erschlagen von zu vielen Kleidern. Ich konnte mich nicht entscheiden was ich anziehen soll… es war zu viel Auswahl.
Meine Reiseoutfits passten in eine Tasche und waren sehr überschaubar. Daran habe ich mich gewöhnt und ich mochte die Überschaubarkeit. Jetzt war ich wieder zurück im Überfluss, nicht nur mit Kleidern.
Unser Zimmer wurde „entdekoriert“. Weniger Dinge an den Wänden, weniger Dinge rumstehend, so gut das geht auf engem Raum.
Und der Kleiderschrank wurde gleich am 2. Tag ordentlich aussortiert. Acht gepackte und aussortierte Rot-Kreuz-Kleidersäcke später, ging es mir eindeutig besser, irgendwie erleichtert. Jetzt war der Blick in den Kleiderschrank ok. Trotzdem konnte ich die ersten Wochen meine Reisejacke und Schuhe nicht gegen andere Kleidung austauschen.
Mich überkam kurz die Angst, dass plötzlich das ganze Erlebte weg und nichtig sein würde und nur noch der Alltag von hier herrscht. Die Empfindungen mit einem Wimpernschlag ausgelöscht. Doch dem ist nicht so, je länger wir zurück sind, umso klarer spüren wir, dass die Spuren dieser Reise bleiben werden.

Geri: In der ersten Zeit war Verdrängung bei mir angesagt. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, dass alles vorbei war. Ich lebte in den ersten Tagen in der Vergangenheit und schwelgte in Erinnerungen und versuchte erst gar nicht an die jetzige Situation zu denken. Verdrängung nennt man das wohl. Ich verdrängte mein altes Leben hier in Deutschland samt dem alten (wohl grösstenteils überflüssigen) Besitzes und war dann überrascht als ich mein altes Hab und Gut wiederfand. Dies war dann die Erkenntnis „Gehört dies wirklich mir?“ und „Wann und warum habe ich das damals gekauft?“
Natürlich ist mir bewusst, dass man im Hier und Jetzt leben sollte, ist dies doch sicherlich auch eine der wichtigsten Erkenntnisse der Reise. Ausserdem stand mein Wiedereinstieg in den Job Anfang November bevor. Fakt ist aber, dass es Zeit braucht, um die „Normalität“ wiederzufinden. Aber will ich diese Normalität wirklich wieder, wie sie einmal war? Ich denke die grösste Herausforderung wird es sein, dass wir nie wieder in diese Bequemlichkeit abrutschen und uns mit dem Alltag zufrieden geben. Die Zeit ist viel zu kostbar und ich will sie intensiver nutzen.

Familie und Freunde sind ganz lieb. Sie erkunden sich immer wieder nach unserem Wohlbefinden, lassen uns in Ruhe wenn wir Ruhe brauchen und hören zu wenn wir erzählen möchten und sind wie immer. Das ist für uns sehr angenehm. Doch was soll man erzählen. Ein prall gefülltes Jahr lässt sich nicht kurz zusammenfassen. Und eigentlich wollen wir gar nicht viel erzählen… „man kann ja alles auf dem Blog nachlesen“, sagen wir oft.
In den ersten Tagen fühlen sich Gespräche manchmal ein wenig schwierig an… man möchte nicht ständig mit einem Beispiel von der Reise kommen, die andern nicht nerven. Wir gehen davon aus, dass irgendwann alle genug gehört haben. Und doch fällt uns zu jedem Gesprächsthema immer eine Anekdote von der Reise ein. Natürlich, schliesslich war das unser Leben im letzten Jahr.
Auf die Frage „und wie ist es nun in der Heimat?“ fällt es uns ebenfalls schwer eine gute Antwort zu finden. Meist sagen wir nur „irgendwie fremd“.

Das Heimkehren ist tatsächlich viel schwerer als das Losziehen. Immer wieder haben wir davon gehört, jetzt haben wir es selbst erfahren.
Vor dem Losgehen richtet sich die ganze Perspektive auf das grosse Ziel, das vor einem liegt. Man ist unter Spannung, gut beschäftigt und voller Vorfreude. Unterwegs war jeder Tag eine neue Herausforderung und ein neues Ziel. Nach dem Ankommen zu Hause ist erst mal nichts von all dem mehr vorhanden. Man fällt in eine Art „Psychisches-Vakuum“. Es fehlt im ersten Moment die Perspektive.
Wir fühlen die Schwermut, etwas von Traurigkeit und Abschied, Dinge, die wir nicht mögen und mit denen wir erst mal nicht gut umgehen können. Aber dieser Prozess gehört dazu.
Es wird einfacher, jeden Tag ein ganz kleines bisschen.
Noch fehlen uns im Moment die konkreten neuen Ideen, die definitive Perspektive. Und doch wissen wir, dass sie kommen werden. Die ersten Schritte sind getan.
Wir sind sehr gespannt!

Eine unserer wunderbaren Begegnungen, Juan Manuel aus Argentinien, der ebenfalls viel gereist ist, sagte uns zum Thema Rückkehr:
 „Es wird schwer werden. Ihr werden für die anderen immer noch gleich aussehen, aber in euren Köpfen werdet ihr euch fremd fühlen. Doch es ist auch aufregend. Ich könnt euren nächsten Lebensabschnitt völlig neu gestalten. Freut euch drauf!“

In diesem Sinne, freuen wir uns auf alles was da kommen mag!





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