Oktober
2016 - wieder zu Hause
Wieder zu
Hause und doch so fremd… genau so fühlte es sich an.
Die ersten Tage wieder daheim waren
schwierig. Wir kamen uns vor wie ein Fremdkörper in einer vertrauten Welt. Man
kannte ja alles, das Zimmer, die Möbel, das Haus, die Umgebung,… aber irgendwie
war es, als gehörte das nicht zu einem selbst sondern zu einem guten Freund.
Es war als
würde das ganze vergangene Jahr nicht hierher passen. Als seien alle Erlebnisse
und Erinnerungen zu viel für den Raum, den die Umgebung hier bot. Als würde man
versuchen alle Erinnerungen in ein Vakuum zu pressen.
Immer wieder
kommt bei uns beiden der Gedanke auf, einfach die Tasche neu zu packen und
weiterzuziehen. Vielleicht sind wir noch zu sehr im Reiserhythmus. Und wir
fragen uns öfters, was wir hier eigentlich machen, warum wir hier sind… Aber
das sind emotional geleitete Fragen, das ist uns schon klar. Und wir sind beide
rational genug um zu sehen, dass die Ankunft eben einfach Zeit braucht.
Wir packten
ein letztes Mal unsere Taschen aus, gleich am ersten Abend, bevor wir es gar
nicht schaffen. Beide redeten wir kaum, schwelgten jeder für sich in
Erinnerungen und konnten die eine oder andere Träne nicht zurückhalten.
All unsere
Erinnerungsstücke aus jedem Land wurden ausgebreitet und wir standen fast ein
wenig erstaunt davor… Haben wir das wirklich alles gesehen und erlebt –
unglaublich!
Karin: Ich habe es die ersten Tage
nicht geschafft den Raum mit unseren Umzug Kartons zu betreten oder den Regionalteil
der Zeitung zu lesen.
Beim Öffnen des Kleiderschranks fühlte
ich mich erschlagen von zu vielen Kleidern. Ich konnte mich nicht entscheiden
was ich anziehen soll… es war zu viel Auswahl.
Meine Reiseoutfits passten in eine
Tasche und waren sehr überschaubar. Daran habe ich mich gewöhnt und ich mochte
die Überschaubarkeit. Jetzt war ich wieder zurück im Überfluss, nicht nur mit
Kleidern.
Unser Zimmer wurde „entdekoriert“.
Weniger Dinge an den Wänden, weniger Dinge rumstehend, so gut das geht auf engem
Raum.
Und der Kleiderschrank wurde gleich am
2. Tag ordentlich aussortiert. Acht gepackte und aussortierte
Rot-Kreuz-Kleidersäcke später, ging es mir eindeutig besser, irgendwie
erleichtert. Jetzt war der Blick in den Kleiderschrank ok. Trotzdem konnte ich
die ersten Wochen meine Reisejacke und Schuhe nicht gegen andere Kleidung
austauschen.
Mich überkam
kurz die Angst, dass plötzlich das ganze Erlebte weg und nichtig sein würde und
nur noch der Alltag von hier herrscht. Die Empfindungen mit einem Wimpernschlag
ausgelöscht. Doch dem ist nicht so, je länger wir zurück sind, umso klarer
spüren wir, dass die Spuren dieser Reise bleiben werden.
Geri: In der ersten Zeit war
Verdrängung bei mir angesagt. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, dass alles
vorbei war. Ich lebte in den ersten Tagen in der Vergangenheit und schwelgte in
Erinnerungen und versuchte erst gar nicht an die jetzige Situation zu denken. Verdrängung
nennt man das wohl. Ich verdrängte mein altes Leben hier in Deutschland samt
dem alten (wohl grösstenteils überflüssigen) Besitzes und war dann überrascht
als ich mein altes Hab und Gut wiederfand. Dies war dann die Erkenntnis „Gehört
dies wirklich mir?“ und „Wann und warum habe ich das damals gekauft?“
Natürlich ist mir bewusst, dass man im
Hier und Jetzt leben sollte, ist dies doch sicherlich auch eine der wichtigsten
Erkenntnisse der Reise. Ausserdem stand mein Wiedereinstieg in den Job Anfang November
bevor. Fakt ist aber, dass es Zeit braucht, um die „Normalität“ wiederzufinden.
Aber will ich diese Normalität wirklich wieder, wie sie einmal war? Ich denke
die grösste Herausforderung wird es sein, dass wir nie wieder in diese
Bequemlichkeit abrutschen und uns mit dem Alltag zufrieden geben. Die Zeit ist
viel zu kostbar und ich will sie intensiver nutzen.
Familie und Freunde sind ganz lieb.
Sie erkunden sich immer wieder nach unserem Wohlbefinden, lassen uns in Ruhe
wenn wir Ruhe brauchen und hören zu wenn wir erzählen möchten und sind wie
immer. Das ist für uns sehr angenehm. Doch was soll man erzählen. Ein prall
gefülltes Jahr lässt sich nicht kurz zusammenfassen. Und eigentlich wollen wir
gar nicht viel erzählen… „man kann ja alles auf dem Blog nachlesen“, sagen wir
oft.
In den ersten Tagen fühlen sich
Gespräche manchmal ein wenig schwierig an… man möchte nicht ständig mit einem
Beispiel von der Reise kommen, die andern nicht nerven. Wir gehen davon aus,
dass irgendwann alle genug gehört haben. Und doch fällt uns zu jedem Gesprächsthema
immer eine Anekdote von der Reise ein. Natürlich, schliesslich war das unser
Leben im letzten Jahr.
Auf die Frage „und wie ist es nun in
der Heimat?“ fällt es uns ebenfalls schwer eine gute Antwort zu finden. Meist
sagen wir nur „irgendwie fremd“.
Das Heimkehren ist tatsächlich viel
schwerer als das Losziehen. Immer wieder haben wir davon gehört, jetzt haben
wir es selbst erfahren.
Vor dem Losgehen richtet sich die
ganze Perspektive auf das grosse Ziel, das vor einem liegt. Man ist unter Spannung,
gut beschäftigt und voller Vorfreude. Unterwegs war jeder Tag eine neue
Herausforderung und ein neues Ziel. Nach dem Ankommen zu Hause ist erst mal
nichts von all dem mehr vorhanden. Man fällt in eine Art „Psychisches-Vakuum“. Es
fehlt im ersten Moment die Perspektive.
Wir fühlen die Schwermut, etwas von
Traurigkeit und Abschied, Dinge, die wir nicht mögen und mit denen wir erst mal
nicht gut umgehen können. Aber dieser Prozess gehört dazu.
Es wird einfacher, jeden Tag ein ganz
kleines bisschen.
Noch fehlen uns im Moment die
konkreten neuen Ideen, die definitive Perspektive. Und doch wissen wir, dass
sie kommen werden. Die ersten Schritte sind getan.
Wir sind sehr gespannt!
Eine unserer wunderbaren Begegnungen,
Juan Manuel aus Argentinien, der ebenfalls viel gereist ist, sagte uns zum
Thema Rückkehr:
„Es wird schwer werden. Ihr werden für die
anderen immer noch gleich aussehen, aber in euren Köpfen werdet ihr euch fremd
fühlen. Doch es ist auch aufregend. Ich könnt euren nächsten Lebensabschnitt
völlig neu gestalten. Freut euch drauf!“
In diesem Sinne, freuen wir uns auf
alles was da kommen mag!
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